Von Luv nach Lee                                                                        

 

 

Du gingst mit mir auf große Fahrt, wir wollten um die Welt,

die Koffer voll mit Abenteuern und mit wenig Geld.

Ganz gleich, wie hoch die Wellen war‘n, egal mit welcher Gischt,

es machte uns rein gar  nichts aus, die Angst war  weggewischt.

Im Leben, ja, so dachten wir,  geh‘n wir uns nie verlor‘n.

Wir hatten uns  ganz fest und frei die Ewigkeit geschwor‘n.

Das Schiff kann niemals sinken, ja, genau  so glaubten wir.

Wir ahnten nicht, das  Schiff war leck und letztlich  aus Papier.

Wir haben uns fast nie nach einem festen Kurs gefragt,

und dümpelten so vor uns hin, der Navigator hat versagt.

 

 

Und nun hat alles Dümpeln  ein Ende,

und ich lege mich  nicht mehr von Luv nach Lee.

Ich nehm‘ das Steuer fest in beide Hände,

und bleibe auf festem Kurs, auch in stürmischer See.

 

 

Der Wind blies in die Segel, und das Schiff gewann an Fahrt.

Mal war ich Kapitän, mal  Smut, und manchmal war ich Maat.

Die Tampen, schien’s, sie hielten fest die Segel voll im Wind.

Es gab mal Ebbe und mal Flut, wie halt Gezeiten sind.

Wo könnten schon Untiefen sein, die unser Schiff verschlingen?

Und würde der  Klabautermann uns jemals niederringen?

Von fernen Ländern träumten wir, von Freiheit,  und vom Glück.

Doch unser Glück war längst schon fort und kam nicht mehr zurück.

Am Horizont kam  öfter  schwere Dünung angerollt,

und jeder Sturm war dann von  leiser Flaute  gefolgt.

 

 

Und nun hat alles Dümpeln  ein Ende,

und ich lege mich  nicht mehr von Luv nach Lee.

Ich nehm‘ das Steuer fest in beide Hände,

und bleibe auf festem Kurs, auch in stürmischer See.

 

 

So manchen Hafen liefen wir schon lange nicht mehr an,

war‘n öfter mal im Trockendock, wo es von vorn begann.

In ruhigen Gewässern gab’s noch  höchstens stille Fahrt.

Am Rumpf zerplatzte Niet für Niet ganz langsam  jede  Naht.

Der Rost  fraß sich ganz still und heimlich erstmal durch den Bug.

Die Reederei wollt‘ es nicht seh’n, erlag dem Selbstbetrug,

Kein neuer Anstrich half durch an Skorbut erkrankte Crew.

Das Schiff lief voll aufs Riesenriff und sank dahin im Nu.

Den Fischen dient es  heute  als  ein künstliches Riff.

Und jeder von uns beiden fährt längst sein eigenes Schiff.

 

 

Und nun hat alles Dümpeln  ein Ende,

und ich lege mich  nicht mehr von Luv nach Lee.

Ich nehm‘ das Steuer fest in beide Hände,

und bleibe auf festem Kurs, auch in stürmischer See.

 

Und ja, ich bin schon oft gestrandet,

aber deshalb bin ich längst kein altes Wrack!

Und ja, ich bin schon oft gestrandet,

doch deshalb bin ich längst kein altes Wrack!

 

 

© Rüdiger Kirsch