Ausgeschlossen

 

Ich muss zum Zahnarzt, gleich um acht, und hoff´, daß er nicht bohrt.

Ganz schnell mal eben noch ins Emailfach geblickt.

Dann spüre ich – trotz Fastenzeit –  wie  es in meinem Bauch rumort.

Mein Anwalt hat mir seine Rechnung zugeschickt.

Ich eile schnell zum Klo – halt! Vorher noch den Rechner runterfahr´n.

Die Bahn, die  werde  ich mit Sicherheit verpassen.

Ich schwinge  mich in mein Jackett mit Esprit und mit Elan.

Ich wollt‘ doch viele Dinge gleichzeitig  tun  -  längst schon unterlassen.

Steck noch schnell die Börse ein, zum Schlüsselbrett – halt! Kühlschrank zu!

Das Eis wird erst nach dem Zahnarztbesuch gegessen.

Ich haste rasend schnell zur Tür, zieh sie schnell auf, und raus, und zu –

und hab‘ den Schlüsselbund am Schlüsselbrett vergessen.

 

Na prima, denke ich mir so, das passt ja wirklich jetzt genau.

Das ist ja erst – in diesem Jahr – zum dritten Mal.

Und der Reserveschlüssel, den ich jetzt ganz bitter nötig brauch,

hängt neben dem Vergessenen, ist das fatal.

Ich schaue durch den Briefschlitz, ja, da hängt er, und er grinst mich an,

zumindest scheint es mir, als wollte er mir sagen:

„das hast du nun von deinem Chaos. Selber Schuld hast du daran,

für diesen Fall wolltest du mich schon letztes Mal - an einem sich‘ren Ort verwahren.“

Ich zücke meine Börse, hole die Scheckkarte schnell heraus.

Wie James Bond, so bin ich schließlich auch auf Zack!

Steck sie in den Türschlitz, zieh sie zum Riegelschnapper herauf.

Ein Ruck, ein Knacks, ich spüre von der Karte – bricht eine Hälfte ab.

 

Na toll, was mach ich nun? Wie komm ich nur aus dieser Nummer raus?

Im Hausflur fällt mein Blick auf die Tomatenpflanze.

In ihrer Mitte rankt ein Eisenstab als Rankhilfe heraus,

der könnte meine Rettung sein – oh danke.

Ich zieh ihn aus dem Topf heraus, die Pflanze sackt in sich zusammen.

Mein Nachbar wird den Pflanzentod sicher verstehen.

Ich angle mit dem Stab und durch den Briefschlitz zu dem Schlüssel ran.

Es wäre doch gelacht, wenn ich ihn nicht bekomme – na das werden wir ja sehen.

Den Stab zum Schlüssel hin, und Erdreste verschmutzen meine Hose.

Ein Meter nur,  und meine Miene ist erhellt.

Ich angle ihn mir elegant,  der Schlüssel hängt ja auch ganz lose.

Und – Zack - vorbeigewischt, ich seh‘ total entsetzt – wie er zu Boden fällt.

 

Na gut, der Stab, er bleibt mir noch für einen weiteren Versuch.

Ich hab ja doch gelernt Probleme schnell zu lösen.

Da kommt mir die Idee, nach der ich schon so lange such‘.

Nur jetzt nicht aufgeben, nur hier jetzt  nicht rumdösen.

Ich könnt‘  die Klinke runterdrücken mit dem alten Eisenstab,

wie schon gesagt, ich bin ja schließlich sehr auf Zack.

Mit Daumen und der Stange an die Klinke drück‘ ich sie herab.

Die Stange rutscht, der Daumen klemmt im Briefschlitz, und –

der Daumennagel bricht mir ab.

So langsam könnte ich hier schreien oder platzen auch vor Wut,

doch dann geschieht etwas – ich glaub’s bis heute kaum.

Was da geschieht ist die Erlösung und ich find‘ sie richtig gut:

Ich werde schweißgebadet wach in meinem Bett – und aus ist dieser böse Traum.

 

© Rüdiger Kirsch